Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Die sog. Bolkestein- (Dienstleistungs-) Richtlinie (1) spielte eine große Rolle beim "Nein!" der französischen Bevölkerung zur EU-Verfassung. Doch nun soll diese Richtlinie zu Beginn des Jahres 2006 durchgepaukt werden. Das Scheitern der EU-Verfassung bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden heißt keineswegs, dass die Entwicklung eines Europa nach den Interessen der Generäle, Banken und Konzerne schon aufgehalten worden wäre.
Hierzulande gibt es sogar aus den Reihen von CDU-Politikern Kritik an dieser Richtlinie. Mancher Lokalpolitiker mag ehrlich gegen diese Zumutungen sein. Doch mindestens die Spitzen dieser Partei und die CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament treiben ein falsches Spiel. Sie betreiben lediglich Beruhigung und Ablenkung. Denn die konservative und liberale Fraktion im Europäischen Parlament tritt entschieden gegen jegliche Veränderung und somit Abmilderung der Richtlinie ein. Ihr Verhalten im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments war eindeutig. Sogar die Veränderungen der Richtlinie, wie sie von sozialdemokratischer Seite eingebracht worden waren, um dem Widerstand gegen diese Richtlinie zu unterlaufen, drohen in den weiteren Beratungen abgeschmettert zu werden.
Mit dem Bolkestein-Hammer stünde uns ein Sozialkahlschlag bevor, der alles bisherige noch in den Schatten stellt.
Kernpunkt der Dienstleistungsrichtlinie ist das Herkunftslandprinzip. Es besagt, dass Dienstleistungen in der EU nach dem Recht erfolgen, das im Herkunftsland des Dienstleisters gilt. Die anderen Rechtsvorschriften, die in dem Land gelten, in dem er seine Dienstleistungen anbietet, gelten für ihn nicht. Für die Überwachung wäre allein das Herkunftsland zuständig. Das gilt auch für grobe Rechtsverstöße. Damit wird eine wirksame Kontrolle unmöglich gemacht und zum Missbrauch eingeladen. Länder, Städte und Gemeinden dürfen dann künftig keinerlei Auflagen oder Einschränkungen mehr für die Tätigkeit von Dienstleistungsfirmen beschließen. Darüber wacht dann die Europäische Kommission.
Damit könnten Firmen alle sozialen, ökologischen, arbeitsrechtlichen und tariflichen Bestimmungen aushebeln. Die Gründung von Briefkastenfirmen in anderen Ländern reicht aus.
Ein völlige Unübersichtlichkeit wäre die Folge. 25 verschiedene Rechtsordnungen würden dann in jedem Land nebeneinander gelten.
Zwischen den Staaten würde der Wettlauf nach unten um die niedrigsten Regelungen enorm beschleunigt werden.
Die vollständige Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen einschließlich des Gesundheitssystems, der Bildungs- und Kultureinrichtungen und unserer Sozialversicherungssysteme würde drohen. Die Einführung von Studiengebühren wäre gemäß dieser Richtlinie der Türöffner zur Privatisierung aller Hochschulen.
Gemeinnützige soziale und kulturelle Einrichtungen wären in ihrer Existenz bedroht, denn Gemeinnützigkeit soll es dann nicht mehr geben.
Die europäischen Unternehmerverbände fordern vehement eine schärfere Gangart gegen soziale Rechte. Der "Europäische Runde Tisch der Industriellen" (ERT) formulierte schon im Frühjahr 2004 die Forderung, "aus Europa einen attraktiven Platz für Geschäfte" zu machen und verglich die europäischen Löhne mit denen in China, Estland und Indien. Derartige Hungerlöhne schweben den Chefs der 45 führenden europäischen Großkonzerne offensichtlich vor . Sie forderten, vor jeder Entscheidung auf europäischer Ebene konsultiert zu werden. Das ist längst Realität.
Die Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE) hat ungehinderten Zugang zu allen EU-Institutionen und beeinflusst massiv die Entscheidungsträger auf europäischer Ebene. Es gibt keine Vorschrift, kein offizielles Dokument, das nicht vorher von ihnen gesichtet und mit Veränderungswünschen versehen worden ist. Ihr erklärtes Ziel: Senkung der öffentlichen Ausgaben, vor allem bei der öffentlichen Wohlfahrt, bei den Renten, der Gesundheitsvorsorge, der Fürsorge. Die Profite der europäischen Konzerne sollen um jeden Preis steigen. Die Europäische Kommission versteht sich als Gremium, das diese Wünsche in Politik umsetzt.
Die Dienstleistungsrichtlinie steht in engem Zusammenhang mit den GATS-Verhandlungen. Mit GATS sollen auf internationaler Ebene alle Dienstleistungen liberalisiert und für die Privatisierung geöffnet werden. Besonders lukrative Bereiche sind die Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung. Hier wittern große Dienstleistungsunternehmen riesige Geschäfte.
Bolkestein soll für das Anwachsen der europäischen Dienstleistungsunternehmen sorgen und somit bessere Bedingungen zum Niederkonkurrieren der Konkurrenten auf dem Weltmarkt liefern. Verlierer sind kleine und mittlere Unternehmen, Handwerksbetriebe, Selbständige und vor allem die Beschäftigten und alle, die auf öffentliche und bezahlbare Dienstleistungen angewiesen sind.
Jetzt muss Widerstand entwickelt werden. Die Abstimmungsergebnisse über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden zeigen: Erfolge sind möglich. Aber nur, wenn erneut europaweit mobilisiert wird, kann ein neuer Erfolg errungen werden!
Anmerkungen:
(1) Genaue Bezeichnung: Vorschlag für eine Richtline des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt
(2) UZ vom 26.3.2004
DKP Minden, September 2005