Minden gehört uns - nicht den Banken! Forderungen für Minden
Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Der Kämmerer der Stadt Minden vermeldete, dass dieses Jahr noch mit einem Plus enden wird. Allerdings nur, weil während der Pandemie Zusatzkosten ausgegliedert werden mussten. Damit ist nun Schluss, ab 2024 müssen diese Schulde finanziert werden. Spätestens ab 2025 wird die Katastrophe offenkundig. Jährliche Defizite von 15 bis 20 Millionen Euro seien zu erwarten.
Als Gründe werden genannt: Rasant steigende Energiekosten, deutlich mehr Sozialausgaben, steigende Baukosten. Beschlossene Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnehmen müssen letztlich von den Kommunen bezahlt werden. Minden ist mit diesen Problemen nicht allein. Landesweit stehen immer mehr Städte und Gemeinden vor unlösbaren Problemen.
Wer Massenverarmung, noch mehr Wohnungslosigkeit, den weiteren Zerfall der Infrastruktur, den Bankrott von Krankenhäusern, die Schließung von KiTas verhindern, die Klimaveränderung aufhalten will, der muss den Kurs auf die Hochrüstung beenden! Der muss für das Ende der Kriege in der Ukraine und in Nahost eintreten. Wir brauchen eine Kultur des Friedens.
DKP Minden November 2023
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Die Finanzen der Kommunen und Städte befinden sich im freien Fall. Die Auswirkungen der größten weltweiten kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Gemeinden inzwischen mit voller Wucht erfasst und tiefe Spuren in den kommunalen Haushalten hinterlassen. Die Einkünfte aus der Gewerbesteuer, immer noch die wichtigste kommunale Einnahmequelle, sind im letzten Jahr bundesweit im Durchschnitt um 20 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig sinken durch steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und wachsenden Niedriglohnsektor die Einnahmen aus der Einkommenssteuer und damit der Anteil der Kommunen bei gleichzeitig explodierenden Sozialausgaben der Städte. Die Reichen werden in Deutschland immer mehr entlastet und die Armen belastet. Jüngstes Beispiel ist das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
Erstmals wurde im November ein Gemeindefinanzbericht 2009 des Städtetages Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Hier einige alarmierende Fakten aus dem Bericht:
• „Nur vier Mitglieder des Städtetages NRW erreichen 2009 einen echten Haushaltsausgleich.“
• „Mehr als ein Drittel unserer Mitglieder sind 2009 Haushaltssicherungskommunen. Fast 60 Prozent der Mitglieder des Städtetages NRW prognostizieren im Haushaltsjahr 2010 Haushaltssicherungskommune zu sein.“
• „Eine Gefahr der Überschuldung wird für die kommenden Jahre von nahezu jeder zweiten Mitgliedsstadt gesehen.“
Besonders dramatisch ist die Zunahme der Kassenkredite. Sie haben sich bei den NRW Städten von 1999 bis 2009 von 250 € je Einwohner auf 2300 € fast verzehnfacht. Die NRW Städte schätzen, dass ihre Kassenkredite von derzeit 17,5 Mrd. € bis 2015 auf 35 Mrd. € explodieren werden. Diese Kassenkredite, ursprünglich als eine Form von kurzfristigem Überziehungskredit der Städte gedacht, werden inzwischen dazu genutzt einen Großteil der laufenden Ausgaben der Kommunen zu finanzieren.
19 Städte des Ruhrgebietes und des Bergischen Landes haben sich zusammengeschlossen zu einem Aktionsbündnis: Raus aus den Schulden. Am 19. Februar fand in Essen eine Fachtagung dieses Aktionsbündnis statt unter dem Motto: Wege aus der Kommunalverschuldung. Für unsere Fraktion habe ich an der Fachtagung teilgenommen.
Die Forderung nach einem Entschuldungsfonds stand im Mittelpunkt der Tagung. Die beteiligten Städte fordern von der NRW Landesregierung die Bereitstellung von jährlich 800 Millionen Euro für einen Entschuldungsfonds. Für die Dauer von 10 Jahren sollen sämtliche Kassenkredite der überschuldeten Städte in diesen vom Land NRW einzurichtenden Fonds übertragen werden. Die Städte bleiben jedoch Eigentümer ihrer Schulden. Die verbleibenden Restschulden gehen nach 10 Jahren wieder auf die Städte über. Mit den Landesmittel sollen die laufenden Zinsen und ein Teil der Tilgung bedient werden. Von den beteiligten Städten werden jedoch ebenfalls erhebliche Anstrengungen erwartet. Der anwesende Finanzminister des Landes, Helmut Linssen, zeigte den Vertretern der Städte jedoch die kalte Schulter und lehnte die geforderten Hilfen des Landes ab. Ich werde später noch darauf eingehen warum wir einen solchen Entschuldungsfonds ablehnen müssen.
Auch der DGB in NRW fordert einen Entschuldungsfonds für die Gemeinden und beklagt die zunehmende Ungleichheit der Lebensverhältnisse aufgrund der Verschuldung der Kommunen. Städte mit einem ausgeglichenen Haushalt wie Düsseldorf haben den kostenfreien Besuch der Kindertagesstätten eingeführt. Dagegen müssen überschuldete Städte, auf Druck der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung ihre Gebühren für Kindertagesstätten anheben. Städte wie Wuppertal und Oberhausen sollen Theater schließen. In den Haushaltssicherungskommunen werden reihenweise städtische Bäder und Stadtteilbüchereien geschlossen. Die Gebühren für die gesamte städtische Daseinsversorgung wie Müll- und Abwasserentsorgung, Straßenreinigung, Musikschulen, Eintrittsgelder für Bäder, Theater, Sportstättenbenutzung für Vereine usw. werden drastisch erhöht. Überschuldeten Städten wie Oberhausen wird von der Bezirksregierung die Einstellung von Auszubildende bei der Stadtverwaltung untersagt. Die Stadt Essen übernimmt dieses Jahr erstmals keine Auszubildende nach Abschluss ihrer Ausbildung. Mit der Aufnahme einer Schuldenbremse ins Grundgesetz wird sich der finanzielle Druck auf die Städte in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen.
Selbst die Streichung aller freiwilligen Leistungen retten die Städte nicht aus der Vergeblichkeitsfalle. Bottrop hat z. B. jährliche freiwillige Leistungen in Höhe von ca. 8 Mio. Euro. Die Neuverschuldung in diesem Jahr und auch den folgenden Jahren beträgt dagegen 45 - 52 Mio. Euro. Dies macht deutlich, dass die Verschuldung nicht hausgemacht ist, oder die Stadt Bottrop in den letzten 20 Jahren unter einer Haushaltskonsolidierung über ihre Verhältnisse gelebt hat. Als „Ausweg“ wird daher immer offener inzwischen auch von Seiten der Städte gefordert, die sogenannten Pflichtleistungen zu reduzieren und neu zu definieren. Mit anderen Worten, die Städte sollen sich weiter kaputt sparen. Sozialarbeiter und Jugendzentren werden gestrichen. Beratungszentren werden privatisiert. Der Grundsatz: „Kurze Wege für kurze Beine“ gehört der Vergangenheit an und reihenweise werden Schulen aus finanziellen Gründen geschlossen, statt den Rückgang von Schülerzahlen für die Verringerung der Klassengröße zu nutzen. Die Trennung von Pflichtleistungen und freiwilligen Leistungen in den Städten ist irreführend. Auch die sogenannten freiwilligen Leistungen gehören unserer Meinung zu den Pflichtaufgaben der Kommunen. Bei Leuchtturmprojekte und Events für die Reichen wird dagegen nicht gespart.
Die Bundesregierung und die Landesregierungen verletzen immer dreister das Konexitätsprinzip, wonach derjenige, der eine Leistung bestellt auch dafür die finanziellen Mittel bereitstellen muss. Wir Kommunisten, ob in einem Gemeindeparlament vertreten oder nicht, müssen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, dass die dramatische Verschuldung der Kommunen von den Verantwortlichen im Bund und den Ländern politisch so gewollt ist. Es liegt nicht an einer mangelnden Überzeugungsarbeit von Kommunalpolitikern gegenüber der Bundes- und Landesebene. Die Abwälzung finanzieller Lasten auf die kommunale Ebene ist Bestandteil der gesamten Umverteilung von unten nach oben! Ziel der neoliberalen Politik ist es den Handlungsdruck auf die Städte immer weiter zu erhöhen, damit möglichst auch noch die letzte kommunale Dienstleistung privatisiert wird. Es ist eine Form des Klassenkampfes der Herrschenden! Den Bürgern wird es jedoch als „Sachzwang“ verkauft.
Nach dem Motto: Privat vor Staat werden auf Landesebene die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wie z. B. durch Änderungen der Gemeindeordnung 2007 in NRW, um das Betätigungsfeld von Stadtwerken einzuschränken. Andere gesetzliche Bestimmungen werden gelockert, um bisher hoheitliche Aufgaben wie die Abwasserbeseitigung dem Zugriff von Konzernen wie der RWE, EON usw. zu öffnen. Vorreiter in auch diesem Bereich ist der Bertelsmann Konzern. Die Denkfabriken des Medienkonzerns liefern die theoretischen Grundlagen für die schrittweise Übernahme aller kommunaler Aufgaben durch Finanzinvestoren. Dies geht über die sogenannten PPP Projekte (Public Private Partnership) bis zur kompletten Privatisierung einer Stadtverwaltung. Dafür hat der Bertelsmann Konzern die Tochterfirma Arvato als Dienstleister gegründet. Seit 2005 hat Arvato alle 500 Angestellte der Stadtverwaltung von East Riding in Yorkshire, Großbritannien, übernommen. Nur der Bürgermeister ist noch nicht auf der Gehaltsliste von Arvato. Mit diesem Pilotprojekt zielt Arvato auf den „Verwaltungs-Markt“ in Großbritannien mit einem Volumen von 8,7 Mrd. Euro jährlich. Das eigentliche Ziel liegt woanders. „Später zielen wir natürlich auch auf Zentraleuropa und vor allem auf Deutschland“, wird der Arvato Vorstand im Kölner Stadt Anzeiger zitiert. Überschrift des Artikels: „Deutsche treiben Knöllchen der Briten ein“.
Die Städte und Gemeinden, in der über zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen entschieden wird, soll immer stärker der kapitalistischen Profitlogik und dem Gewinnstreben von Finanzinvestoren unterworfen werden. Dazu ist die Überschuldung der Gemeinden eine unabdingbare Voraussetzung, damit Kommunalpolitiken unter Handlungsdruck geraten und sich den angeblichen „Sachzwängen“ nach Privatisierung öffnen. Erleichtert wird dies auch durch die Einführung der Doppik beziehungsweise des NKF, des Neuen Kommunalen Finanzmanagement. Indem die Kommune mit einer Bilanz wie ein Konzern geführt wird, verstehen sich die Bürgermeister selber auch als Vorstandsvorsitzende des „Konzern Stadt“ und handeln immer mehr danach. Die eigentliche Aufgabe, einer kostenfreien Daseinsvorsorge für die Menschen gerät so völlig aus dem Blickfeld und ist auch nicht mehr gewollt!
Mit den Initiativen für die Erhaltung von Theatern, Schwimmbädern, Büchereien, kostenfreien KITAs, kostenfreien Ganztagsschulen einschließlich einer Mittagsversorgung, Sozialtarifen für Energie und dem ÖPNV, geraten immer mehr Bürger in Konflikt mit der neoliberalen Politik. Dies erhöht die Chancen, dass wir als Kommunisten mit unseren Alternativen gehört und anerkannt werden.
Als Alternative zu der Verschuldung haben wir in den 90ziger Jahre begonnen, dort wo wir in Kommunalparlamenten vertreten sind, ein Zinsmoratorium zu fordern, um den Städten wieder verstärkte kommunale Investitionen zu ermöglichen. Auch heute wird bei uns diese Forderung nach wie vor erhoben. Angesichts der Tatsache einer Überschuldung von immer mehr Städten müssen wir in unsere Forderung weiterentwickeln. Überschuldung heißt konkret, dass die Stadt komplett den Banken gehört. Mit anderen Worten, mit ihrer Zinspolitik werden die Banken entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Städte ausüben. Oberhausen als Zweigstelle der Banken!
Damit strukturschwache und überschuldete Kommunen wieder handlungsfähig werden, brauchen wir nicht nur ein Zinsmoratorium – denn auch in späteren Jahren werden überschuldete Städte nicht in der Lage sein ihre Altschulden und Kassenkredite zurück zu zahlen – notwendig ist eine Streichung aller Schulden! Unsere Forderung nach einem Zinsmoratorium muss daher ersetzt werden durch die Forderung nach einer Streichung aller kommunalen Schulden. Einziger Gewinner der öffentlichen Verschuldung sind die Banken und Finanzhaie. Die Großbanken haben in den letzten Jahrzehnten an den Schulden der Gemeinden riesige Gewinne gemacht. Unsere Forderung muss von daher sein, dass die Schulden der Städte auf Kosten der Banken gestrichen werden.
Auch ein Entschuldungsfonds wie ihn die Ruhrgebietsstädte fordern müssen wir ablehnen! Bestandteil dieser Forderung ist, dass die Städte begleitend eigene radikale Haushaltssicherungskonzepte aufstellen, Theater, Schwimmbäder, Büchereien usw. schließen. Spätestens nach 5 Jahren muss ein Primärsaldoausgleich erfolgen, d. h. alle Ausgaben müssen durch die Einnahmen gedeckt werden. Dies ist eine Illusion, da es die Einhaltung des Konexitätsprinzip und die Beendigung der Umverteilung durch Bund und Land von unten nach oben voraussetzt. Außerdem wird eine zusätzliche Belastung der Bürger durch eine Anhebung der Grundsteuer B gefordert, mit anderen Worten, die Bürger sollen durch höhere Mieten dazu beitragen die Schulden der Städte zu bezahlen. Die Bürger sollen damit doppelt abkassiert werden: Durch höhere Gebühren für kommunale Leistungen und einem Anstieg der Mieten! Mit Scheinaktivitäten wie der „Demonstration“ der 19 Oberbürgermeister und Kämmerer am 18. Dezember letzten Jahres vor dem Landtag von NRW wird Protest der Öffentlichkeit gegenüber der Landesregierung vorgetäuscht. Die Durchsetzung von Veränderungen in der Finanzpolitik zugunsten der Kommunen erfordern eine Mobilisierung, der kleinen Leute, den Arbeitslosen und den Menschen die von Hartz IV leben müssen. Sie sind die Hauptbetroffenen der Sparorgie der Städte und Gemeinden!
Wir sehen an diesem Beispiel, dass die Verschuldung der Städte noch zahlreiche Vorschläge hervorbringen wird, wie die Lasten auf die Bürger abgewälzt werden. Dies fordert von uns klare Alternativen und Forderungen!
Kernfrage der Kommunalpolitik in den nächsten Jahren wird die Lösung der Überschuldung der Gemeinden sein. Hier können wir aufgrund unserer marxistischen Weltanschauung wichtige Impulse geben und Alternativen entwickeln.
Mit folgenden Forderungen sollten wir Alternativen mit unserer Kommunalpolitik aufzeigen:
• Streichung aller kommunalen Schulden zu Lasten der Banken!
• Höhere Besteuerung der Reichen und Konzerne!
• Beendigung der Umverteilung von unten nach oben durch die Finanzpolitik von Bund und Land!
• Einhaltung des Konexitätsprinzip!
• Hartz IV muss weg!
• Sozialtarife für Energie und den ÖPNV!
• Keine Privatisierung kommunaler Einrichtungen und Leistungen!
• Kaputtsparen der Städte und Gemeinden stoppen!
• Kommunales Infrastrukturprogramm durch Bund und Länder in Höhe von 100 Mrd. Euro!
• Entwicklung breiter örtlicher Kultur- und Sozialbündnisse!
• Rüstungsausgaben kürzen! Raus aus Afghanistan!
Faktisch wird mit dem Fiskalpakt die Schuldenbremse von 2020 auf das nächste Jahr vorgezogen. Diese Mittel sollen vorrangig durch Ausgabenkürzungen erzielt werden. Der Fiskalpakt schreibt vor, dass die „Wettbewerbsfähigkeit“ gefördert werden soll. Damit sollen Steuererhöhungen für Reiche und Konzerne ausgeschlossen werden. Die Konsequenz sind drastische Kürzungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur, weiterhin niedrige Löhne und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Folgen sind in Griechenland, Spanien und Portugal zu besichtigen. Die Banken sind wieder einmal die Gewinner. Sie leihen sich faktisch umsonst Geld bei der Europäischen Zentralbank und verdienen sich mit Krediten an die Städte und Gemeinden eine goldene Nase.
Der Fiskalpakt ist eine Kriegserklärung zur Zerstörung öffentlicher Dienstleistungen und grundlegender sozialer Rechte, Arbeiterrechte und politischer Rechte der Bürger Europas.
Die Troika (EU, EZB, IWF) übernimmt das Ruder, nationale Parlamente sollen zum "Abnicken" degradiert werden, damit die Profite von Banken und Konzernen nicht durch "Sozialklimbim" Schaden erleiden.
Der DGB sagt dazu: "Tatsächlich wird der Fiskalpakt auch deutsche Städte und Gemeinden angreifen." Denn sie werden gezwungen, dann noch mehr und noch drastischer Kürzungen vozurnehmen und Gebühren zu erhöhen.
Die öffentliche Armut ist kein Schicksalsschlag, der über uns hereingebrochen ist. Sie ist Folge handfester politischer Entscheidungen. Es sind handfeste Interessen, die diese Politik leiten.