Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Das Freihandelsabkommen TTIP sei nichts Besonderes, entsprechende Verhandlungen seien auch in der DOHA-Runde der WTO oder über GATT geführt worden. Auch die EU sei eine Freihandelszone. Durch engere Handelsbeziehungen sollten die Grundlagen für den Frieden geschaffen werden. Heute brauche die Globalisierung Regeln. Es gehe damit bei TTIP um eine engere Kooperation und um mehr Freihandel und damit mehr Wohlfahrt.
Das Ifo-Institut habe die Zahl von 181.000 neuen Arbeitsplätzen in Deutschland errechnet. Als Untermauerung des Arbeitsplatzeffekts verweist Kampeter auf die Belastungen durch verschiedene technische Standards insbesondere für kleine Unternehmen, die in die USA exportieren wollen. Ein kleiner Betrieb müsse dafür extra Personal vorhalten, das damit für produktive Aufgaben nicht zu Verfügung stünde. Größere Betriebe könnten diese Belastungen viel eher schultern. Folglich gehe es beim TTIP um die Angleichung von Standards.
Zwischen USA und EU bestünden die wichtigsten Handelsbeziehungen der Welt. Der Vertrag zwischen EU und Kanada (CETA) sei ein ähnliches Abkommen. Die deutsche Wirtschaft sei die am meisten verflochtene Wirtschaft der Welt und daher an Stabilität der Investitionen interessiert; daher handele es sich auch um ein Investitionsabkommen.
Kampeter betonte stark die politischen Dimensionen des TTIP, die große politische Nähe zwischen EU und USA. Man müsse daher das Abkommen "strategisch sehen", es gehe um einen "engen politischen Zusammenhalt", um eine politisch-militärische Arbeitsteilung. Zur Begründung musste u.a. der gemeinsame Kampf gegen den IS herhalten.
EU und USA wollten Vorreiter sein bei der Etablierung von Standards. Dabei wurden vom Referenten stets nur technische Standards angeführt. Die Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger seien zu sehen erstens in weniger Bürokratie für Unternehmen und zweitens in preiswerten Waren und Lohnerhöhungen; es wurde die Zahl von 545 Euro pro Jahr genannt (1).
Die Sorgen der Öffentlichkeit bezögen sich auf eine mangelnde Transparenz, den Schutz von Verbrauchern, Arbeitnehmern und dem Umweltschutz und die Schiedsgerichtsverfahren. Für die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen gebe es in der EU klare Regelungen, die nicht Gegenstand der Verhandlungen seien. Das gelt auch für die audiovisuellen Dienstleistungen; das öffentliche Fernsehen sei also keinesfalls gefährdet. Auch in die kommunale Selbstverwaltung und die öffentliche Daseinsvorsorge seien keine Eingriffe geplant und auch die sozialen Rechte kein Gegenstand der Verhandlungen. Dazu solle man die EU-Papiere lesen! (2)
Kein anderes Abkommen werde so viel diskutiert wie das TTIP. Das wurde vom Referenten als Beweis für die vorhandene Transparenz gewertet. (3) Beim Bundeswirtschaftsministerium gebe es eine Stakeholder-AG, die der Unterrichtung verschiedener Organisationen diene. Ein ähnlicher Beirat sei bei der EU-Kommission eingerichtet. (4) Natürlich werde nicht alles veröffentlicht; ähnlich wie bei Tarifverhandlungen müsse um Kompromisse gerungen werden. Aber von Geheimverhandlungen könne damit nicht die Rede sein.
Im Verbraucher- und Umweltbereich gebe es unterschiedliche Standards. Doch die europäischen Vorschriften seien nicht verhandelbar; es gehe nur um eine "gegenseitige Anerkennung" und um eine künftige gegenseitige Unterrichtung. (5) Die Schiedsgerichtsverfahren würden kontrovers diskutiert werden. Es gebe Länder mit schwachen und solche mit teuren Rechtsverfahren; zu letzteren zählten die USA. Daher sei ein "vernünftiger Rahmen" notwendig für den Schutz von Investitionen. Die Regelung im TTIP sei dann das Vorbild für Verträge mit anderen Ländern.
Zusammengefasst: TTIP gebe Wachstumsimpulse, und sei für die strategische Partnerschaft wichtig. Die CDU sei für TTIP und Merkel eine überzeuge Anhängerin.
Konfrontiert mit einigen Regelungen des CETA behauptete Kampeter, Umwelt- und Arbeitnehmerechte seien nicht Gegenstand des Vertrages, es gehe eben nur um den Freihandel - obwohl das CETA ausdrücklich entsprechende Kapital enthält. Auch leugnete er, dass die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen verändert werde. (6) In der Diskussion konnten einige ISDS-Verfahren gegen Umwelt- und soziale Rechte aufgezählt werden, es wurde auf die systematische Suche von auf ISDS spezialisierten Anwaltskanzleien nach Klagemöglichkeiten hingewiesen und auf die Nichtöffentlichkeit und fehlende Revisionsmöglichkeit. Vom Referenten wurde auf deren Spezialkenntnissen hingewiesen und die Nichtöffentlichkeit in einfacher Analogie zu zivilrechtlichten Verfahren begründet. Die Mehrheit der ISDS-Verfahren werde zugunsten von Staaten entschieden, was der Beweis dafür sei, das sie kein System für Konzerne seien. Besonders kleine Unternehmen würden davon profitieren. Und er verblüffte mit dem Hinweis, dass stets beide Seiten einem ISDS-Verfahren zustimmen müssten. Da der Referent mehrfach seine internationalen Aktivitäten auf hohem diplomatischen Parkett hervorhob, dürften derartige Fehlinformationen nicht einem Nichtwissen, sondern einer gezielten Falschinformation entspringen. (7)
Als Buhmann und damit als Begründung für Regelungen musste wiederholt die Produktpiraterie aus China herhalten. Alle Besorgnisse wurden als zwar verständlich aber gegenstandslos entkräftet, da ja die Standards in den Bereichen Umwelt, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz überhaupt nicht von den Abkommen tangiert seien. Und die guten Absichten sind demnach im EU-Mandat niedergelegt; das aber aus kritischer Perspektive sehr großen Anlass zur Sorge gibt! (8) Nach Kampeters Darlegung müsse nur darauf geachtet werden, dass es keine Abweichungen vom EU-Mandat gebe und das werde durch die regelmäßigen Briefings auch kontrolliert. Das soll dem braven CDU-Mitglied signalisieren: Bei der Bundesregierung ist alles sehr gut aufgehoben, sie wacht über unser Wohl.
Im Auftreten und in der Rhetorik sehr geschult, mit Lokalkolorit, mit vielen Worten und mit Ablenkungen wurden CETA und TTIP verkauft. Dabei wird auch vor Falschdarstellungen nicht zurückgeschreckt. Das wird bereits in der CDU-Broschüre sichtbar: Dort werden aus den verschiedenen Studien über die Auswirkungen des TTIP die jeweils besten Zahlen herausgepickt, um die angeblichen Wohltaten zu untermauern.
Und es bleibt der Eindruck: Sein Auftreten war der Beweis dafür, das diese Verträge eine gefährliche militärisch-machtpoltische Dimension haben, die keinesfalls dem Weltfrieden dient, wie es der schön klingend Begriff "Freihandel" fälschlicherweise nahelegt, sondern eine neue Blockbildung bedeuten. TTIP ist auch eine Gefahr für eine friedliche Zukunft.
(1) Diese Angabe stammt aus der Studie des CERP, die im Auftrage der EU-Kommission 2013 erstellt wurde. In dieser Studie wird von Kosten für den Handel aufgrund von "Nichthandelshemmnissen" ausgegangen. Ihre Abschaffung soll zu sinkenden Preisen führen und damit zu mehr Einkommen - im Jahre 2017. Dieser Zusammenhang ist mehr als fragwürdig. Sinkende Kosten führen eher zu mehr Gewinnen der Konzerne. Die Studie "Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft: Zerfall, Arbeitslosigkeit und Instabilität in Europa" der Tuffs Universität in USA kommt mit einem angemesseneren Modell zu einem ganz anderen Ergebnis: Danach werden die Arbeitseinkommen aller Beschäftigten in Deutschland um 3.400 Euro im Jahr geringen werden. Die nordamerikanische Freihandelszone zwischen Kanada, USA und Mexiko (NAFTA) besteht seit 1984. Versprochen wurden Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und mehr Wohlstand. Die Realität nach 20 Jahren: Vernichtete Arbeitsplätze in USA und Kanada, der Ruin Millionen Mexikanischer Kleinbauern, elende Arbeitsbedingungen in den mexikanischen Sonderwirtschaftszonen, geschwächte Gewerkschaften in allen beteiligten Ländern, geringerer Löhne und mehr Armut.
(2) Im CETA gibt es keine Absicherung der Daseinsvorsorge. Lediglich solche Dienstleistungen werden gesichert, die als staatliches Monopol erbracht werden. Das sind bei uns die allerwenigsten. TTIP und CETA beinhalten ein allgemeines Liberalisierungsgebot, von dem nur auf Wunsch einzelne Dienstleistungen ausgenommen werden können (Negativlisten-Prinzip). Alle anderen geraten unter Rechtfertigungszwang. Im TTIP sollen nur audiovisuelle Dienstleistungen ausgenommen werden.
(3) Ursprünglich sollte gar nichts vor Abschluss der Verhandlungen veröffentlicht werden. Das ließ sich aufgrund der öffentlichen Kritik nicht durchhalten. Doch die Positionspapiere, die die EU-Kommission veröffentlicht oder weiterreicht, bestehen nicht aus Verhandlungsdokumenten.
(4) Das Beratungsgremium auf EU-Ebene unterliegt seinerseits der Schweigepflicht und erhält nur Berichte über die Verhandlungen, keinen Einblick in Originaldokumente. Nur wenige EU-Parlamentarier dürfen in einem speziellen Lesesaal Einblick in Originaldokumente nehmen, ohne sich dabei Notizen machen zu dürfen. Sie unterliegen zudem der Schweigepflicht. Der TTIP-Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat das Ziel " den Widerstand gegen das Freihandelsabkommen auszubremsen" (DIE WELT vom 30.1.15). Einige Mitglieder haben inzwischen beklagt, dass sie viel zu wenig Gehör finden. In einem Positionspapier wurde von ihnen eine erneute generelle Kritik am geplanten Abkommen geübt. Corporate Europe Observatory hat gezählt: 92 Prozent aller Treffen der EU-Kommission fanden mit Vertretern der Industrie und ihrer Lobbyorganisationen statt.
(5) Die Struktur der Regelungen ist z.T. unvereinbar. Nehmen wir die Zulassung von chemischen Produkten: Wie soll das europäische Vorsorgeprinzip mit dem Prinzip der USA vereinbart werden? Dort kann ein Produkt nur dann vom Markt genommen werden, wenn streng wissenschaftlich seine Schädlichkeit nachgewiesen wurde; also erst im Nachhinein, wenn der Schaden bereits eingetreten ist. Die "gegenseitige Unterrichtung" soll sehr frühzeitig erfolgen; sie würde dazu führen, dass jedes geplante neue Gesetz zuerst mit den USA abgestimmt werden muss.
(6) Im CETA wurde das Vorsorgeprinzip bei der Zulassung gentechnisch veränderter Organismen bereits aufgegeben. Eine Behörde darf erst dann regulierend eingreifen, wenn bereits nachweislich Schäden eingetreten sind. Zudem dürfen Produkte künftig Spuren von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen enthalten; die "Null-Toleranz-Richtlinie" bei Lebensmitteln soll in der EU nicht mehr gelten.
(7) Bei der Investor-Staat-Klage (ISDS) geht es um das einseitige Recht von "Investoren", Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn die Aussichten (!) auf Gewinn durch staatliches Handeln geschmälert werden. Von einer jedesmaligen Einigung auf diese Paralleljustiz kann keine Rede sein. Die reinen Anwaltskosten belaufen sich im Durchschnitt auf 8 Millionen US-Dollar. Nur große Konzerne werden das nutzen können. Kommunen werden schon vor der bloßen Androhung eines Schiedsverfahrens kapitulieren. Kanada machte die Erfahrung, dass schon die Androhung eines ISDS zur Rücknahmen von Gesetzentwürfen führt.
(8) Das EU-Mandat verfolgt "ehrgeizige Ziele…, die über die bestehenden WTO-Verpflichtungen hinausgehen". Das ist eine Umschreibung für eine weitestgehende Liberalisierung und damit Abschaffung von Schutzvorschriften. Die EU will, dass die "Einführung neuer nichttarifärer Handelshemmnisse verhindert" wird und den Schutz vor "indirekter Enteignung" verankern. Mit diesem unbestimmten Begriff kann jede profitschmälernde Maßnahme angegriffen werden.
rl, Februar 2015