Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Die Beraterfirma Lohfert & Lohfert hatte bereits das im Jahre 2018 vorgelegte Medizinkonzept erarbeitet. Es musste wegen allzu viel Widerstand aus der Bevölkerung zurückgezogen werden. Nun legten Lohfert & Lohfert Vorschläge für veränderte Konzepte vor.
Das von der Beraterfirma, der Leitung der Mühlenkreiskliniken und der Landrätin bevorzugte Konzept sieht vor, aus fünf Kliniken drei zu machen und insgesamt 100 Betten abzubauen. Demnach sollen das Krankenhaus Bad Oeynhausen und die Auguste-Viktoria-Klinik in einem Neubau zusammengelegt werden. Von derzeit rechnerisch 484 Betten sollen ganze 250 übrig bleiben. Der Bettenabbau soll höher ausfallen als mit dem ursprünglich beantragten Neubau vorgesehen. Auch die Krankenhäuser Lübbecke und Rahden sollen in einem Neubau zusammengefasst werden. In Lübbecke sollen die Betten für körperliche Erkrankungen um ca. 50 reduziert, dafür die Psychiatrie um 200 Betten aufgestockt werden. Der Bettenabbau soll bei gleichzeitigem Ausbau bestimmter medizinischer Leistungen erfolgen. Gerechnet – oder soll man sagen künftig vorgeschrieben? – wird eine weitere Verkürzung der Liegezeiten.
2018 stand die Zentralisierung der medizinischen Leistungen im Vordergrund des Medizinkonzepts und sie stieß auf erheblichen Widerstand. Denn es wurde damit offensichtlich Abschied von einer Versorgung vor Ort genommen; und das in einer Region mit einem schlecht ausgestatteten Öffentlichen Personennahverkehr. Nun stehen die Neubauten im Vordergrund und lenken die Debatten. Dahinter wird die angestrebte Zentralisierung der medizinischen Leistungen innerhalb der Mühlenkreiskliniken unsichtbar gemacht. Aber angesichts des Bettenabbaus – in Lübbecke ausdrücklich im somatischen Bereich - ist sie offenkundig vorgesehen, wurde aber nur vorsichtig am Rande erwähnt. Auch dieses Konzept beendet bei vielen Erkrankungen die Versorgung vor Ort. Positiv ist, dass zumindest die Beibehaltung der Geburtsstationen in Bad Oeynhausen und Lübbecke versprochen wurde.
Ein erheblicher Investitionsstau von hunderten von Millionen Euro in Bad Oeynhausen und Lübbecke/Rahden wurde bestätigt. Die MKK selber sprechen von insgesamt über 500 Millionen Euro für alle Kliniken; Eingeweihte nennen noch höhere Beträge, da auch das Johannes-Wesling-Krankenhaus in Minden in die Jahre kommt.
Lohfert & Lohfert legen ein Konzept vor, dass genau zum „Krankenhausplan NRW 2020“ passt: Weniger Kliniken, weniger Betten, mehr Fälle in den ambulanten Bereich verschieben, noch kürzere Liegezeiten, Konzentration der medizinischen Leistungen und Konzentration auf lukrative medizinische Behandlungen. Das ist kein Wunder, da sie doch an diesem Krankenhausplan mitgewirkt haben.
Statt den Investitionsbedarf der Krankenhäuser zu decken sollen jährlich Hunderte von Millionen Euro für Fusionen und Schließungen bereit gestellt werden. Der „Krankenhausplan NRW 2020“ folgt dem Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung, die nur noch ein Drittel aller Krankenhäuser für notwendig hält. Der Zwang zur Gewinnerzielung, der mit dem System der DRGs eingeführt wurde, das Kostenmanagement, der Wettbewerb der Krankenhäuser um die größte Kostensenkung sollen verschärft werden.
Was das eingeführte Vergütungssystem nach Fallpauschalen (DRG) nicht geschafft hat, soll nun mit Gewalt umgesetzt werden, indem Krankenhäuser in die Insolvenz getrieben werden. Vorhandene Fehlanreize zur Mengenausweitung für besonders lukrative Eingriffe, die durch das System der DRGs erst geschaffen wurden, werden nun als Argument aufgegriffen, um eine ortsnahe medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung auszuhebeln. Was nicht lukrativ ist, droht kurz- oder mittelfristig aus dem Leistungskatalog zu verschwinden. So scheinen die im Gutachten vorgeschlagenen Ausweitungen bestimmter medizinischer Leistungen in erster Linie dem Erhöhen des Gewinns der Mühlenkreiskliniken zu dienen. Denn nur jene Krankenhäuser können sich mit den DRGs behaupten und schwarze Zahlen schreiben, die mit möglichst teuren und planbaren Operationen die Patienten in möglichst kurzer Zeit mit möglichst wenig Personal behandeln. Das führt nebenbei auch zu einemaufgeblähten Verwaltungsapparat bei den Krankenkassen. Deren medizinischer Dienst überprüft nachträglich, ob er die Einordnung der DRGs für angemessen hält oder nicht. Im letzten Fall werden die Leistungen dem Krankenhaus schlicht nicht erstattet. Hier werden in der Bürokratie unsere Krankenkassenbeiträge verbraten, die für unsere Gesundheit fehlen.
Die Zentralisierung wird uns als notwendig verkauft wegen des zunehmenden Mangels an Ärzten und Pflegekräften im Krankenhaus. Dabei ist bekannt, dass Pflegekräfte oft nach einigen Jahren kündigen oder bereits die Ausbildung abbrechen, da der Leistungsdruck enorm ist, daher die Ansprüche an eine gute Arbeit nicht einzuhalten sind und die Bezahlung schlecht ist. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, verbindliche Regelungen für eine angemessen Besetzung mit Personal und eine bessere Vergütung würden dieses Problem aus der Welt schaffen! Die angestrebte noch effektivere Ökonomisierung wird das Problem hingegen verschärfen.
Völlig ausgeblendet wird die Herausforderung durch die Corona-Pandemie. Wir wurden und werden mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert, begründet mit der notwendigen Verhinderung einer Überforderung unseres Gesundheitswesens. Wir mussten erleben, dass keinerlei Vorsorgemaßnahmen getroffen worden waren, da diese einfach nicht finanziert werden. Wir hätten bei einer bereits durchgesetzten Schließungswelle von Krankenhäusern noch erheblich größere Probleme bekommen. Ein Blick nach Norditalien oder Frankreich zeigt das. Eine zentrale Lehre lautet: Für Zeiten besonderer Herausforderungen müssen Kapazitäten vorhanden sein, auch und gerade an geschultem Personal! Diese Pandemie ist nicht die letzte ihrer Art. Schreiten Naturzerstörung und Klimawandel weiter voran, werden wir häufiger davon heimgesucht werden.
Offen blieb die Frage, wer denn die Neubauten bezahlen soll? Das Land NRW steht zwar in der Pflicht, hält sich aber enorm zurück. Daher musste bereits der Neubau des Johannes-Wesling-Klinikums mit einem enormen Bankenkredit finanziert werden. Es lasten immer noch 144 Millionen Schulden auf den Mühlenkreiskliniken. Dabei haben sie nach eigenen Angaben in den letzten fünf Jahren 52 Millionen an Krediten zurückbezahlt und daneben etwa 90 Millionen für Investitionen erwirtschaftet. Bereits der Neubau wurde durch Stellenstreichungen „erwirtschaftet“. Diese Zahlen sind Ausdruck und Ergebnis eines enormen Drucks auf die Beschäftigten. Sie sind zugleich das Ergebnis davon, dass sich das Land NRW seinen Investitionsverpflichtungen entzieht.
Nach Lohfert & Lohfert könnten die Mühlenkreiskliniken ihre Kredite mit den ausgeweiteten medizinischen Leistungen begleichen. Dabei weiß niemand, wie sich die Vergütungen künftig entwickeln werden.
Das Medizinkonzept folgt den Daumenschrauben des „Krankenausplan NRW 2020“.
Ein Ausweg bietet nur ein Gesundheitswesen ohne Gewinnerzielung in öffentlicher Trägerschaft mit anderer Finanzierung.
Notwendig ist die breite Unterstützung der „Volksinitiative Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“, die noch bis Oktober Unterschriften sammelt.
DKP Minden, September 2021