Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Die Psychiatrie soll nun nicht nach Minden verlagert, sondern im Neubau in Espelkamp angesiedelt werden. Dafür sprachen auch Kostengründe; in Minden hätte man anbauen müssen. Die Bettenanzahl soll auch nicht vermindert, sondern wie von Lohfert & Lohfert empfohlen, 200 Betten umfassen. Das ist eine sinnvolle Entscheidung.
Die Kosten für den Kreis und damit für die Städte und Gemeinden wurden auf 158,3 Millionen Euro berechnet, falls das Land bei seinem Zuschuss von 178 Millionen Euro bleibt. Zusammen mit den Zinsen ergeben sich nach 30 Jahren allerdings Gesamtkosten von 281,5 Millionen.
Die steigenden Baupreise könnten diese Rechnung durchkreuzen. Und die Städte und Gemeinden stehen auch ohne diese Kosten in den kommenden Jahren vor erheblichen finanziellen Problemen.
DKP Minden, 21.11.2023
Der Kreis Minden-Lübbecke ließ die Pläne zur Neustrukturierung der Mühlenkreiskliniken (MKK) noch einmal von Dr. Boris Augurzky überprüfen. Seine Ergebnisse liegen nun seit September vor. Sie bewegen sich im Grunde auf der Linie von Lohfert & Lohfert aus dem Jahre 2021. Das ist kein Zufall. Beide sind aktive Betreiber der Konzentration von medizinischen Leistungen und des Bettenabbaus. Dr. Augurzky z.B. als Mitglied der Kommission bei Gesundheitsminister Lauterbach, Lohfert & Lohfert bei der entsprechenden Planung auf Landesebene. Vorgesehen ist, dass die medizinischen Leistungen in Leistungsgruppen zusammengefasst werden und nur wer ausreichend Fallzahlen nachweisen kann, darf künftig diese Leistungen anbieten. Die Konzentration wird so erzwungen. Die „Krankenhausreform“ von Lauterbach und die NRW-Krankenhausplanung sind die vorgegebene Zwangsjacke einer Neustrukturierung der MKK.
Immerhin wird festgestellt: Der Flächenkreis Minden-Lübbecke ließe es nicht zu, alles auf ein zentrales Krankenhaus zu konzentrieren. Denn im Notfall muss die nächste Klinik innerhalb von 20 Minuten erreichbar sein. Bevorzugt wird eine Lösung, die dem Vorschlag von Lohfert & Lohfert ähnelt. Die beiden Krankenhäuser Rahden und Lübbecke sollen durch einen Neubau in Espelkamp ersetzt werden, um in dieser Region die Erreichbarkeit im Notfall zu sichern. In Bad Oeyenhausen soll das Krankenhaus einen Neubau neben dem Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) erhalten, um auch künftig deren Kooperation zu sichern. Die Auguste-Viktoria-Klinik soll als Fachklinik Orthopädie weiter existieren.
Oberste Leitlinie des Gutachtens war die Wirtschaftlichkeit. Die Kürzungsvorschläge übertreffen die von Lohfert &Lohfert. Wollten Lohfert & Lohfert insgesamt noch etwa 150 Betten wegfallen lassen, so geht Augurzky mit seinem Institut hcb (Institute vor Health Care Business Gmbh) erheblich weiter. Die vorhandenen Betten werden mit insgesamt 2.014 angegeben. Übrig bleiben sollen 1.430 bis 1.620. Das wäre 584 bis 394 weniger.
Hatten Lohfert & Lohfert noch vorgeschlagen, die Psychiatrie auf 200 Betten zu erweitern, so soll es nach Augurzky nun weniger Betten geben. Wer den Andrang kennt, kann sich nur wundern. Die Abteilung soll nach Minden verlegt werden. Wer die günstige Lage dieser Abteilung in der Lübbecker Umgebung kennt, reibt sich die Augen.
Schlicht ignoriert wird, dass psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch sind. Das ergab jüngst z.B. die Auswertung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Zunehmende Existenz- und Zukunftsängste werden keinesfalls verschwinden, Arbeitsstress und Überlastung in der Arbeit nehmen weiter zu.
Aber es ist eben nicht die Frage einer ausreichenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, was hier das Denken leitete, sondern die Finanzierbarkeit des Neubaus in Espelkamp. Der Neubau soll nun etwas kleiner und damit etwas billiger werden, wenn Urologie und Psychiatrie von Lübbecke nach Minden verlegt werden.
Ein großer Umfang künftiger Ambulantisierung wird unterstellt. Künftig sollen viele Operationen ambulant erfolgen. Die Tendenz zu nicht-invasiven Operationen ist durchaus vorhanden. Doch nicht erwähnt wird, wo denn künftig all die ambulanten Operationen stattfinden sollen? Und das in unserer Region mit ihrer ärztlichen Unterversorgung im ländlichen Bereich?
Die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte jüngst, dass die ambulante Versorgung in Gefahr ist, da die niedergelassenen Ärzte ein hohes Durchschnittsalter haben und Jungmediziner schwer für den ambulanten Bereich zu gewinnen sind. Die Ambulantisierung hat einen weiteren Haken: Für Viele stellt sich nach der ambulanten Operation die Frage, wer sie danach zu Hause betreuen soll?
Wir hatten in unserer früheren Stellungnahme bereits auf die Corona-Pandemie hingewiesen, in der ein bereits geschrumpftes Gesundheitswesen offensichtlich überfordert war. Mit der Folge, dass Lockdowns mit ihren Ausgehverboten und Schulschließungen für erforderlich erklärt wurden. Statt einer kritischen Aufarbeitung der damaligen Maßnahmen - die u.a. zu erheblichen psychischen und Lernproblemen bei Kindern und Jugendlichen geführt haben - wird nun als wäre nichts geschehen das Gesundheitssystem weiter geschrumpft. Von Vorsorge für künftige Pandemien weiterhin keine Spur.
Bevor Betten abgebaut werden, müssen die Strukturen für eine ausreichende ambulante Versorgung erst einmal geschaffen werden!
Mit der Verlagerung von Urologie und Psychiatrie nach Minden soll der Neubau in Espelkamp nun etwas kleiner und damit etwas billiger werden. Die notwendigen Neubauten sollen insgesamt statt 528 Millionen nun etwa 430 Millionen kosten. Das Land NRW will bekanntlich nur einen Teil davon beisteuern, von höchstens 178 Millionen Euro ist die Rede.
Das Land NRW hat sich bereits beim Neubau des Johann-Wesling-Krankenhauses geweigert, für die gesamten Investitionskosten aufzukommen. So lastet immer noch ein Schuldenberg in dreistelliger Millionenhöhe auf den Mühlenkreiskliniken. Das Land muss seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, die Investitionen der Krankenhäuser vollständig zu finanzieren!
Auch der jetzige Betrag ist von den Städten und Gemeinden kaum zu bewältigen. Sie ächzen unter gestiegenen Energiepreisen, der allgemeinen Teuerung und bekommen die wirtschaftliche Rezession zu spüren.
Die Mühlenkreiskliniken werden dieses Jahr mit einem Defizit von 25 Millionen Euro abschließen. Bis 2027 wird mit Defiziten von insgesamt 75,1 Millionen Euro gerechnet.
Es gibt weniger Patienten als in der Zeit vor Corona. Das führt nach der Logik der Fallpauschalen (DRG) zu Einnahmeausfällen. Die Kliniken haben spürbar höhere Ausgaben für Energie. Inflation und Zinssteigerungen machen ihnen zu schaffen. Die Tariferhöhungen für die Beschäftigten kommen hinzu. Sie reichten bei weitem nicht für die Reallohnsicherung, führen aber zu Mehrausgaben, die nicht gegenfinanziert werden. Daher schreiben Kliniken bundesweit rote Zahlen und viele Pleiten drohen. Einige Kliniken mussten bereits schließen.
Trotzdem will die Ampel in Berlin den Etat des Gesundheitsministeriums im kommenden Jahr um ein Drittel kürzen!
Lauterbach scheint das ganz gelassen und mit Zustimmung zu sehen. Sterben doch die Kliniken ganz ohne sein aktives Zutun; das Ziel seiner „Reform“ wird damit teilweise schon erreicht. Allerdings auf chaotische ungeplante Art, was zu enormen Verwerfungen führen dürfte.
Es droht eine dramatische Entwicklung, die unser Gesundheitswesen schwer beschädigt. Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser muss schnellstmöglich beendet werden!
Die Konzentration auf weniger aber größere Kliniken im ganzen Land wird stets mit dem Fachkräftemangel begründet. Tatsächlich gibt es Schwierigkeiten, genügend Pflegekräfte zu finden und die vorhandenen Stellen zu besetzen. Die Fluktuation ist groß, viele halten die Belastungen nicht lange aus.
Eine Studie der Bremer Arbeitnehmerkammer ergab: Bei besseren Arbeitsbedingungen stünden vorsichtig geschätzt etwa 300.000 Vollzeitpflegekräfte mehr zur Verfügung.
Und es gibt eine weitere aufschlussreiche Untersuchung. Klagen doch Ärzte und Pflegekräfte über den Wust an Dokumentationen, die sie täglich zu bewältigen haben. Nach einer Erhebung der Ärzteorganisation Marburger Bund raubt das täglich 3 bis 4 Stunden der Arbeitszeit, die für die Betreuung der Patienten nicht zur Verfügung steht. Das ist eine Folge des Abrechnungssystems nach Fallpauschalen (DRG). Zudem sind tausende Ärztinnen und Ärzte im Abrechnungskampf zwischen Kliniken und Krankenkassen gebunden, also mit dem Streit, ob die Einordnung der Patienten in die jeweilige DRG zutrifft oder nicht. Dabei geht es immer um viel Geld.
Das „Bündnis Klinikrettung“ hat nun errechnet, dass bei Wegfall des bürokratischen Monsters DRG 158.900 Arbeitsstunden mehr für die Patientenversorgung zur Verfügung stünden, das entspricht 122.100 Vollzeitstellen.
Der beklagte Fachkräftemangel erweist sich als Alibi für das Schrumpfen des Gesundheitssektors.
Die „Krankenhausreform“ von Lauterbach will Gewinne mit dem Betrieb von Kliniken weiter ermöglichen. Die Fallpauschalen bleiben, wenn auch in geringerem Umfang. Der Kostendruck auf die Beschäftigten bleibt bestehen. Und vor allem sieht diese „Reform“ keinen Euro an Mehrausgaben vor!
Eine bedarfsgerechte und patientenfreundliche Versorgung ist möglich. Die Finanzierung nach Fallpauschalen muss durch eine bedarfsgerechte Finanzierung nach der Selbstkostendeckung ersetzt werden. Die notwendigen Kosten werden dann refinanziert. Das notwendige Personal wird über eine Personalbemessung bestimmt und nach Tarif bezahlt. Gewinne wären in einem solchen System nicht mehr möglich. Das Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“ hat dazu Vorschläge erarbeitet.
Die Überlegung, den Bau eventuell als Public-Private-Partnership (PPP) –Projekt zu realisieren, liegt angesichts leerer Kassen nahe. Ein Privater baut und der Kreis mietet das Gebäude, ein Kredit muss nicht aufgenommen werden. Klingt verlockend. Aber davor kann nur gewarnt werden. Denn mit der langjährigen Zahlungsverpflichtung werden der Kredit des Investors und dessen Gewinne finanziert. Das ist am Ende deutlich mehr als ein günstiger Kommunalkredit.
Die Verträge sehen die Zahlungen unabhängig davon vor, ob der Investor beim Bau und Betrieb mangelhaft arbeitet oder gar pleite geht. Die Kommune übernimmt praktisch alle Risiken des Investors bis hin zu dessen Insolvenz. Es gibt ausreichend negative Erfahrungen!
Es gibt keinen Ausweg als den, die Politik der Aufrüstung zu beenden und endlich die Vermögenssteuer für die Superreichen, für die Millionäre und Milliardäre wieder einzuführen!
DKP Minden, November 2023