Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Der neugewählte Landrat Ali Dogan (SPD) setzt sein Wahlversprechen um, die Neubaupläne der Mühlenkreiskliniken (MKK) noch einmal zu überprüfen. Deren Finanzierbarkeit hatte er zu Recht infrage gestellt. Angesichts enorm anschwellender Baukosten, steigender Zinsen und weiter zunehmender Belastungen der Kommunen durch die Folgen von Wirtschaftskrieg und Aufrüstung werden die Voraussetzungen für die Umsetzung der Pläne weiter verschlechtert.
So begrüßenswert diese Überprüfung ist, so problematisch ist die Wahl des Experten Prof. Dr. Boris Augurzky. Dieser Experte ist dort zu finden, wo es um Bettenabbau und Klinikschließungen geht. So ist er u.a. Vorstandvorsitzender der Stiftung Münch. Münch gründete die Rhön-Klinikum AG und ist Ehrenmitglied des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken. Welche Ziele seine Stiftung mit der "Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung in Deutschland" verbindet, versteht sich von selbst. Die Privatisierung der Gesundheitsversorgung, ihr Umbau zu einem Gewinnbetrieb ermöglichte seinen Aufstieg. Diese Stiftung erarbeitete einen Leitfaden, der als Unterstützung für Lauterbachs Pläne erscheint. Und in dessen Reform-Kommission saß wiederum Gesundheitsökonom Augurzky.
Die Vorschläge der Lauterbach-Kommission greift die inzwischen nicht mehr zu überhörende Kritik an den Fallpauschalen (DRG) auf. Haben sie doch zu Bettenabbau, Klinikschließungen und einer radikalen Kostensenkung in den Krankenhäusern geführt. Der Zwang, Krankenhäuser wie Wirtschaftsunternehmen zu führen, hatte Schließungen "unrentabler" Bereiche wie Kinderabteilungen zur Folge und die Ausweitung "rentabler" aber nicht unbedingt notwendiger Operationen. Nach den Reformvorschlägen sollen die Krankenhäuser etwas anders finanziert werden. Künftig soll es Vorhaltepauschalen, ein Pflegebudget und dazu verringerte Fallpauschalen geben. Insgesamt aber soll die Gesamtvergütung gleichbleiben. An der allgemeinen Unterfinanzierung soll sich also nichts ändern. Auch bleibt der Konkurrenzdruck, der Anreiz zur Kosteneinsparung ausdrücklich erhalten. Das Gesundheitswesen soll eine Gewinnmaschine bleiben. Die Maßnahmen streben weniger, aber größere Gesundheitsfabriken an. Viele Krankenhäuser sind in ihrer Existenz gefährdet und können zu einer Art Pflegestation herabgestuft werden, in der es nur eine gewisse Basisversorgung ohne Notfallversorgung geben kann. Die ärztliche Versorgung wäre mit Belegkliniken zu vergleichen. Kein Wunder, dass diese Reform die Fürsprache der Kassenärztlichen Vereinigung bekommt. Diese Einrichtungen wären auch hervorragend für die Privatisierung oder die Übernahme durch Private-Equity-Fonds geeignet.
Angestrebt wird mit den Reformvorschlägen die "Ambulantionierung". Es werde einfach zu viel stationär behandelt. Doch gerade auf dem Lande wie bei uns im Kreis Minden-Lübbecke fehlen dafür schlicht alle Voraussetzungen. Ein Bindeglied zwischen Krankenhaus und Arztpraxen fehlt bei uns in Deutschland; im Gegensatz zu den anderen europäischen Staaten. Die Initiative "Gemeinsam für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen" fordert daher, dass keine Krankenhausbetten abgebaut werden dürfen, solange es diese multiprofessionellen, rund um die Uhr geöffneten, bettenführenden ambulanten Versorgungszentren nicht flächendeckend gibt.
Mit seiner Beratungsfirma, dem Institute for Health Care Business (HCB), untersuchte Augurzky dann im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Folgen der geplanten Krankenhausreform, also seine eigenen Rezepte. Was sich ergab, war erschreckend genug: Was heute noch flächendeckend erfolgt, wird künftig an nur noch an 232 Standorten geleistet werden. Über die Hälfte aller werdenden Mütter müssten sich dann einen neuen Standort für dIe Geburt suchen, d.h. die Hälfte aller Geburtsstationen soll verschwinden. Für andere Bereiche wie Kardiologie und Urologie gilt Ähnliches.
Aus dem Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) Bad Oeynhausen kam bereits Kritik (MT vom 24.3.23) Am Krankenhaus Bad Oeynhausen sei die Geburtsstation bedroht, ohne die aber die Kinderherzklinik wiederum bedroht sei. Die Lauterbach-Pläne berücksichtigen überhaupt nicht die vorhandenen bewährten Kooperationen zwischen Kliniken.
Die SPD in OWL hat sich hinter die Lauterbach-Pläne gestellt (MT vom 10.3.23). Nach ihrer Überzeugung ließen sich diese Pläne mit denen des Landes kombinieren. Das stimmt. Denn auch die Krankenhausplanung NRW will die Kosten des Krankenhauswesens senken, bis zum Jahr 2032 ganze 18.400 Krankenhausbetten (=17,9 Prozent) abbauen und fast 12 Prozent aller Fälle in Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren verlagern. Und übersieht dabei die Probleme, dass die zunehmende Alterung der Gesellschaft eher mehr stationäre Betten erfordert, von den leidvollen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie einmal ganz abgesehen. Ein Denken der Krankenhauslandschaft "vom Interesse der Patientinnen und Patienten her" sieht anders aus.
DKP Minden April 2023
Krankenhaus statt Fabrik; Bewertung der Vorschläge der Regierungskommission "Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung" file:///C:/Users/Reiner/Downloads/KH_statt_Fabrik_Bewertung_KH_Reform_Lauterbach.pdf
Gemeinsam für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen; Stellungnahme zur Krankenhausplanung NRW. https://gesunde-krankenhaeuser-nrw.de/2023/02/16/stellungnahme-zur-krankenhausplanung-in-nrw/
Geplante Reform bedroht viele Klinikstandorte. https://www.kma-online.de/aktuelles/politik/detail/hcb-chef-boris-augurzky-geplante-reform-bedroht-viele-klinikstandorte-49300
Bündnis Klinikrettung. https://kliniksterben.jimdofree.com/