Kommunale Finanzen und die Alternativen der DKP
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Seit dem 1. Dezember 2019 betreibt die Transdev Ostwestfalen GmbH einen großen Teil unseres regionalen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Transdev ist ein weltweit agierender Mobilitätsanbieter mit Sitz in Paris. Das Umstellungschaos dauert bis heute an. Die vereinbarten neuen Busse stehen nicht bereit, an den Haltestellen fehlten zunächst Fahrpläne, gedruckt liegen sie bis heute nicht vor, die Linienbeschilderung am ZOB ist fehlerhaft usw. Die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sind unterirdisch. Es gibt keine Wartungshalle für die Busse, nur einen Busparkplatz. Wo sollen Sozialräume sein? Durch die Weitervergabe an Subunternehmer wird das Chaos noch vergrößert.
Ältere können sich noch an andere Zeiten mit qualifizierten und informierte Fahrer*innen erinnern. Damals gab es noch die VMR. Das einstmals von EON an den Hannoveraner Verkehrsbetrieb Üstra und dann an den Entsorgungskonzern Rethmann verkauft worden war. Rethmann weigerte sich, für das Defizit der VMR aufzukommen und so wurde das Unternehmen im Jahr 2011 in die Insolvenz geschickt. Bis dahin hatten die Beschäftigten gute Tarifverträge und gesicherte Arbeitsplätze.
Der Betriebshof der VMR in der Hermannstraße durfte damals nicht weiterbenutzt werden. Denn dann hätte es sich arbeitsrechtlich um einen Betriebsübergang gehandelt und der Tarifvertrag hätte weiterhin gelten müssen. Aber genau darum ging es ja: Die Löhne und Arbeitsbedingungen sollten verschlechtert werden.
Zudem wurde im Jahr 2013 das Personenbeförderungsgesetz von der damaligen CDU/FDP-Bundesregierung geändert. Danach muss bei der Linienvergabe nun dasjenige Verkehrsunternehmen Vorrang haben, das angibt, "eigenwirtschaftlich", d.h. ohne öffentliche Zuschüsse arbeiten zu können. Tarif- und Sozialstandards muss es nicht einhalten. Und ob es später nicht doch öffentliche Zuschüsse erpressen kann, ist auch nicht garantiert.
Mit dieser Regelung sollen private Verkehrsunternehmen mit dem ÖPVN noch bessere Gewinne machen können. Gute Tarifverträge und gute Arbeitsbedingungen stehen dem im Wege. Diese Vergabepraxis beinhaltet den Zwang zur weiteren Kostensenkung. Die geübte Praxis besteht darin, andere Busunternehmen als Subunternehmer einzuspannen, die ihren Beschäftigten noch schlechtere Löhne zahlen. Eine Spirale nach unten, Sozial- und Lohndumping auf dem Rücken der Beschäftigten, wurde bewusst in Gang gesetzt. Sie geht auch auf Kosten der Qualität des ÖPNV. Linien wurden ausgedünnt, die Fahrpreise stiegen trotzdem; ein fataler Kreislauf.
Und so wiederholt sich das Elend alle Jahre wieder: ein anderes Verkehrsunternehmen erhält den Zuschlag und es folgt ein chaotischer Übergang wie wir ihn derzeit wieder seit Dezember letzten Jahres erleben. Die eigene Verkehrsgesellschaft der Stadt hat nur die Aufgabe, Steuern zu sparen, indem die Zuschüsse für den ÖPNV mit den Gewinnen der Stadtwerke, also mit dem Verkauf von Energie und Wasser verrechnet werden.
So begrüßenswert die nun eingeleiteten kleinen Schritte zur Verbesserung des ÖPNV sind, wie die Ringbuslinie und etwas spätere Fahrzeiten, sie sind nicht das, was notwendig ist: Eine umfassende Verkehrswende. Der PKW- und LKW-Verkehr ist für einen großen Teil der Luftverschmutzung und der drohenden Klimakatastrophe verantwortlich. Ein kleiner Spaziergang z.B. an der Ringstraße macht klar: Luftverschmutzung ist nicht nur ein Problem der Großstädte!
Der Ausbau des ÖPNV ist wesentlicher Bestandteil von ernsthafter Klimapolitik und dem notwendigen sozial-ökologischen Umbau. Vor dem Hintergrund der Krise der KFZ-Industrie, dem Übergang zur Elektromobilität, der enormen Rationalisierung und dem damit drohenden Abbau vieler Arbeitsplätze in dieser Branche ist die Schaffung alternativer Arbeitsplätze besonders dringend.
Die Menschen werden nur dann auf das Auto verzichten können, wenn es gut erreichbare, verlässliche, komfortable und preiswerte Alternativen gibt. Der öffentliche Verkehr gehört massiv ausgebaut, auch auf dem flachen Lande. Viele Pendler würden davon profitieren. Dazu müssen die Tarife deutlich gesenkt werden. Örtliche Modelle mit Nulltarif oder sehr geringen Tarifen wie z.B. im brandenburgischen Templin sind vorhanden! Und sie haben sich bewährt. In Wien und etlichen Städten in Frankreich wird das mit Abgaben der Unternehmen und Kaufhäuser finanziert.
Für den Übergang zu einer sozialen und ökologischen Verkehrswende sind gute tarifliche Lohn- und Sozialstandards und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Verkehrsunternehmen zwingend notwendig. Dafür muss für eine ausreichende Finanzierung gesorgt werden. Das Geld ist vorhanden. Es findet sich in den ständig erhöhten Rüstungsausgaben und in klimaschädlichen Subventionen. Weniger PKW auf den Straßen und die Verlagerung des Güterfernverkehrs auf die Schiene sorgen für weniger Kosten für Straßenbau und Straßenunterhaltung. Die Gelder können für Fahrrad- und Fußwege und den ÖPNV umgeschichtet werden.
Mobilität ist ein soziales Grundrecht und daher muss der ÖPNV als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge gesichert werden.
Die Gewerkschaft ver.di wird im Sommer umfassende Tarifauseinandersetzungen im Bereich des Nahverkehrs führen. Dabei werden auch die Arbeitsbelastungen ein wichtiges Thema sein. In einer bundesweiten Kampagne soll auf die Situation im Nahverkehr aufmerksam gemacht werden. Wir haben allen Grund, in diesen Auseinandersetzungen die Gewerkschaft ver.di zu unterstützen!
DKP Minden, März 2020